Die Frage der Woche: der gute Ton und die Agilität

Der gute Ton. Muss immer alles Agil gemacht werden?

Ich bin vor kurzem über einen Beitrag in meinem LinkedIn Feed gestolpert, den ich super spannend fand.

Im Grunde ging es darum, dass Agilität, als Beispiel ruhig Scrum, in Unternehmen eingeführt wird, weil es “der gute Ton ist”. Was aber, wenn das Team gut klar kommt mit ihrer Arbeitsweise? Und wenn es nicht mal gefragt wurde, ob es eine Veränderung braucht?

Macht es Sinn, Agilität einzuführen, um Agilität einzuführen und nicht um ein bestehendes Problem zu lösen?

Was habt ihr in dem Kontext schon erlebt und wie steht ihr dazu? Zuspruch oder Widerstand? Was ist in dir aktiv?

Ich freu mich auf euch!

Liebe Grüße, Dani

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Hi Dani,
ja das Phänomen kenne ich. Noch schlimmer ist es, wenn Top-Down vorgegeben wird: Ihr müsst jetzt Agil machen weil das besser ist.
Ich fürchte, vor 10 Jahren war ich auch so einer, der allen dieses agile Machwerk aufzwingen wollte. Mittlerweile frage ich eher mal nach, was sind denn Eure unausgesprochenen oder auch ausgesprochenen Vereinbarungen wie ihr zusammenarbeitet? Was davon hat sich für Euch bewährt? Erst wenn man das gewürdigt hat, was schon funktioniert darf man die Frage stellen: Was würdet ihr gerne verändern wollen?
Bei der Veränderung kann man dann fragen, was das Problem denn wirklich ist und dann kann man darüber diskutieren, welche andere Vereinbarung helfen könnte. Im Lösungsraum kann man dann eine der aus dem agilen bekannten Vereinbarungen aufs Tapet bringen, ohne es so nennen zu müssen. Dann ist da auch weniger Widerstand und ein erstes Ausprobieren wird möglich.
Oft sind die Teilhabenden gar nicht Widerwillig, sondern sind sogar kosten-bewusst. Das Aufkündigen bisheriger Vereinbarungen und das vereinbaren von neuem Verhalten miteinander kostet ja auch Zeit und Aufwand bis die neuen Verhaltensweisen von allen eingeübt sind.

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Das ist einer der Gründe, warum die IT-Kanban Welt sich hier im Vorteil sieht. Da Kanban als “Change Management Framework” zunächst mal beim aktuellen Ist-Zustand ansetzt und über graduelle Veränderungen (aka Verbesserungen) arbeitet. Und die “Betroffenen” zu Mit-Akteuren macht.

Mir fallen dazu mehrere Punkte ein.

  1. Nicht gefragt werden bzgl. Veränderung (I): In der Psychologie wird der Groupthink-Effekt beschrieben. Nun bin ich kein Psychologe. Ich halte es jedoch für äußerst legitim und plausibel, wenn “von Außen” eine Spannung ans Team angelegt wird und eine Veränderung der Arbeitsweise (stark) gechallenged wird. Insbesondere wenn man um den Groupthink weiß.

  2. Nicht gefragt werden bzgl. Veränderung (II): Es ist das gute Recht einer Unternehmensführung, XYZ als (neue) Zielsetzung zu haben. Also zum Beispiel “Ab morgen arbeiten wir agil” (überspitzt formuliert). Besser wäre natürlich, wenn auch konkret beschrieben wird, was der Grund für die Veränderung ist, welche Effekte davon erhofft werden etc. Denn eigentlich geht’s nicht ums agile, sondern am Ende immer um positive Effekte für das Unternehmen, Erhöhung des Profits, kürzere Time2Market usw.usw.
    Besser wäre es dabei natürlich, wenn das Unternehmen über ein bestimmtes Strategie-System verfügt (ob OKR oder etwas anderes, ist dabei fast egal), das die Veränderungsidee darstellt und erläutert.

  3. “der gute Ton”: Ja, als Gentleman der alten Schule :tophat: gehört es für mich zum guten Ton, einer Person die Tür aufzuhalten. Gleichzeitig sollte die Person dann aber auch durch die Tür gehen. Was will ich damit sagen: “Der gute Ton” ist natürlich für den obigen Fall keine besonders gute Argumentation. Die Zielrichtung sollte auch dargestellt werden. Allerdings benötigt es auch Willige, die dann mitmachen (und durch die Tür gehen) bzw. die die Kraft aufwenden, sich daran zu beteiligen - auch wenn vielleicht schon die 20ste Change-Initiative in kurzer Zeit durch den Konzern gerollt ist. Zu einfach ist es, die Verantwortung an “die Firma” abzugeben - und dabei zu vergessen, dass man ja selbst ein (aktiver) Teil davon ist.

Soweit in Kürze meine Gedanken hierzu.